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Behandlung

Spritze, Pille, Infusion: Anwendungsformen von Krebstherapien

Bestimmte Krebstherapien stehen in unterschiedlichen Anwendungsformen zur Verfügung. Egal, ob als Spritze, per Infusion oder als Tablette – immer kommen Fragen auf. Im Interview gibt die onkologische Fachpflegerin Pauline Tipps aus ihrer langjährigen Erfahrung.

Pauline Kludt ist als Fachpflegerin der Onkologie in einem Brustzentrum und gynäkologischen Krebszentrum sowie als Krebsbloggerin tätig. Seit mehr als 15 Jahren versorgt und unterstützt sie Menschen mit Krebs. Den persönlichen Austausch mit Betroffenen schätzt sie besonders. Denn ergänzend zum Aufklärungsgespräch mit der Ärztin oder dem Arzt kann sie dabei besonders gut darauf eingehen, wie sich die Anwendung der Krebstherapie auf den Alltag auswirkt.

Diagnose Krebs: Habe ich alles verstanden?


Liebe Pauline, wie gestaltet ihr die Aufklärung vor dem Start einer Krebstherapie?

Die erste Aufklärung findet im Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt statt. Im Anschluss folgt ein Gespräch mit mir. Dabei stimmen wir noch einmal gemeinsam ab: Was kann auf mich zukommen? Worauf sollte ich achten? Was kann ich unterstützend zur Therapie oder bei möglichen Beschwerden unternehmen? Und wann wende ich mich an mein Behandlungsteam? Eine gute Aufklärung ist bei allen Anwendungsformen entscheidend.

Manche Betroffene fühlen sich nach dem Arztgespräch erst einmal wie von Informationen überflutet – dann vereinbaren wir meist einen Folgetermin, einige Tage später. In der Zeit können sie sich mit ihrer Familie und ihrem Umfeld in Ruhe besprechen und mit ihren Fragen rund um die Anwendung der Therapie wiederkommen.

„Mir ist wichtig, dass meine Patientinnen nach dem Aufklärungsgespräch sagen können: ‚Ich habe alles verstanden!‘ und mit einem beruhigten Gefühl nach Hause gehen.“

- Onkologische Fachpflegerin Pauline

Wissen, was bei der Krebstherapie auf dich zukommt


Wie läuft die Therapie bei verschiedenen Anwendungsformen ab? Und was ist dabei wichtig zu beachten?

Bei einer oralen Therapie (bspw. in Tablettenform oder als Kapsel) besprechen wir, wie diese einzunehmen ist. Die Einnahme erfolgt dann in Eigenverantwortung zu Hause. Das erfordert weniger Zeit. Es muss aber regelmäßig selbst daran gedacht werden. Funktioniert das problemlos und wird die Behandlung gut vertragen, haben wir in der Regel selten Kontakt. Einerseits ist es erfreulich für unsere Patientinnen, wenn wenige Termine in der Klinik anstehen. Andererseits haben wir keine Kontrolle, ob orale Therapien regelmäßig korrekt eingenommen werden. Therapietagebücher können dabei helfen, die Einnahme zu dokumentieren.

Bei Infusionen beträgt die Verabreichungsdauer meist zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden, je nach Therapie. Möglicherweise notwendige Voruntersuchungen sowie die persönliche Beratung durch mich als Pflegefachkraft finden bei uns in der Regel zwei Tage vor der Medikamentengabe statt. Am Tag der Verabreichung können sich unsere Patientinnen vor Ort mit uns oder auch mit anderen Betroffenen austauschen.

Bei der subkutanen Verabreichung (Injektion ins Unterhautfettgewebe) kommen unsere Patientinnen meist nur für die vergleichsweise kurzen Verabreichungstermine zu mir. Dafür ziehe ich mich für einige Minuten aus allen anderen Aufgaben zurück, um ganz in Ruhe das Medikament zu verabreichen und für die Patientin bei Fragen da zu sein. 

Die intramuskuläre Verabreichung (Injektion in das Muskelgewebe) findet ebenfalls innerhalb weniger Minuten statt und wird unter anderem verwendet, wenn für bestimmte Krebstherapeutika eine Depotwirkung erzielt werden soll.

Gut informiert in der Krebstherapie mitentscheiden

Was wirst du in Bezug auf Verabreichungsformen von Krebstherapien am häufigsten gefragt und wie reagierst du darauf?

Unsere Patientinnen beschäftigen zum Beispiel Fragen und Gedanken wie: „Ich bekomme Tabletten oder Spritzen. Wirkt die Therapie in dieser Anwendungsform genauso gut wie eine Infusion?“ 

Dann erkläre ich, anhand welcher Untersuchungsergebnisse wir kontrollieren, ob die Therapie wirkt und die Situation der Patientin stabil ist. Außerdem kann es hilfreich sein, Studiendaten zur Wirksamkeit der unterschiedlichen Anwendungsformen mit den Patientinnen zu besprechen: Es gibt Studien, die beispielsweise untersuchen, wie viel eines Wirkstoffs bei unterschiedlichen Anwendungsformen im Blut ankommt. Kann ich den Patientinnen anhand der Studienergebnisse erklären, dass unabhängig von der Anwendungsform somit potentiell die gleiche Wirkung erzielt werden kann, ist es möglich, durch diese Aufklärung Vertrauen – und damit auch Motivation – für die verschiedenen Anwendungsformen einer Therapie zu schaffen. 

Worin liegen aus deiner Sicht die Vorteile der einzelnen Anwendungsformen für Krebspatientinnen?

Bei Krebstherapien, die in mehreren Anwendungsformen zur Verfügung stehen, kann jede Patientin gemeinsam mit dem Behandlungsteam die Anwendungsart wählen, die zu ihr passt. Das finde ich wichtig.

Dadurch, dass zwar nicht für jede, aber für bestimmte Krebstherapien mehrere Darreichungsformen zur Verfügung stehen, können sie mehr Menschen zugänglich gemacht werden. Denn zum Beispiel in ländlicheren Regionen ohne Anbindung an Krebszentren sind möglicherweise nur wenige Infusionsräume vorhanden. Therapien, die eine kürzere Verabreichungsdauer haben, können dort einfacher organisiert werden. Bei Patientinnen, die beispielsweise einen Partner zu Hause pflegen, können Fahrtwege eine Rolle spielen. Sie haben unter Umständen nicht die Möglichkeit, regelmäßig lange Strecken auf sich zu nehmen, um Behandlungstermine in einem Krebszentrum wahrzunehmen. Deswegen klären wir jede Patientin individuell auf, welche Anwendungsformen zur Verfügung stehen und welche persönlichen Lebensumstände Einfluss auf die Wahl haben können.

Kannst du weitere konkrete Einblicke geben, was bei der Wahl der passenden Anwendungsform entscheidend sein kann?

Wir besprechen gemeinsam mit einer Patientin, ob sie in nächster Zeit zum Beispiel weiter oder wieder arbeiten gehen möchte. Denn eine Therapie mit einer kürzeren Dauer der Verabreichung, könnte sich besser in ihren Alltag einbinden lassen als eine Infusionsgabe, die in der Regel mehr Zeit beansprucht. Nicht so lange aus ihrem Berufsalltag raus sein zu wollen, ist für unsere Patientinnen das Hauptargument, wenn mehrere Anwendungsformen zur Verfügung stehen. Teilweise kommen sie nach ihrem Feierabend bei uns vorbei, erhalten ihre Therapie per Spritze verabreicht und und können zeitnah wieder nach Hause fahren.

„Eine kürzere Dauer der Applikation der Krebstherapie schenkt Patientinnen häufig mehr Flexibilität.“

- Onkologische Fachpflegerin Pauline

Krebspatientinnen mit Kindern sehen den Vorteil in einer kürzeren Dauer der Verabreichung, weil sie wenig Zeit in der Klinik verbringen müssen. Ein weiterer Entscheidungsgrund könnte sein, wenn eine Patientin eine Anwendungsart nicht verträgt – beispielsweise wenn eine Infektion am Port entsteht, über den Infusionen verabreicht werden. Wird parallel eine Bestrahlung durchgeführt und der Port liegt in dem zu bestrahlenden Bereich (beispielsweise unterhalb des Schlüsselbeins), kann es notwendig sein, ihn zu entfernen. Auch dann käme infrage, die Behandlung auf eine andere Anwendungsform umzustellen.

Sicherheit bei der Wahl der passenden Krebstherapie und Anwendungsform

Was rätst du Betroffenen, wenn sie unsicher sind in Bezug auf ihre Krebstherapie?

Bei Unsicherheit rate ich unbedingt dazu, eine Zweitmeinung einzuholen. Wir raten unseren Patientinnen, wenn sie Zeit haben, sich an ein weiteres Krebszentrum zu wenden, um eine zusätzliche Einschätzung zu erhalten. Außerdem erklären wir, dass wir uns nach den Leitlinien richten. Darin ist festgelegt, was für die jeweilige Erkrankung der Therapiestandard ist. Wir machen klar, was die aktuelle Studienlage zeigt, warum die jeweilige Anwendungsform das Mittel der Wahl ist und welche Erfolge mit der Behandlung potenziell erzielt werden können.


Eine individuelle Betrachtung der Therapie findet im Zuge des Tumorboards statt, um so alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Rückhalt kann es Betroffenen natürlich auch geben, sich noch einmal mit der Familie zu beratschlagen. Vordergründig ist es aber die Aufgabe der Ärzte, Informationen und Sicherheit zu geben.

Welche Infomaterialien empfiehlst du Krebsbetroffenen?

Ich stelle jeder Patientin individuell einen Ordner mit Materialien zusammen. Die K Wort Infomaterialien kommen dabei in jedem Fall mit rein. Darin können die Patientinnen alles Wichtige rund um ihre Therapie, noch einmal in Ruhe und in leicht verständlicher Sprache nachlesen. Mein Favorit ist die Ernährungsbroschüre. Außerdem erleichtert die Mehrsprachigkeit auf der K Wort Website in vielen Situationen die Verständigung.

Was möchtest du Krebsbetroffenen in Bezug auf die Wahl der Anwendungsformen der Krebstherapie mit auf den Weg geben?

Mein Rat: immer fragen! Wenn etwas unklar ist, bitte sofort Bescheid geben. Manche Menschen trauen sich das nicht oder haben Angst, sie könnten zur Last fallen, wenn sie nachhaken. Aber für mich ist das eine Bestätigung, wenn Patientinnen mit Fragen zu mir kommen. Das zeigt: Sie setzen sich mit der Therapie auseinander und nehmen eine aktive Rolle ein. Außerdem hilft es mir einzuschätzen, ob die Patientin alles verstanden hat und hinter der Therapie und Anwendungsform steht. Dadurch kann ich individuell auf sie eingehen.

 

Vielen Dank für die Einblicke, liebe Pauline!

Inhaltlich geprüft: M-DE-00022820

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