Leben im Hier und Jetzt: Achtsamkeit bei Krebs
Mit der Krebsdiagnose stehen alle Pläne für die Zukunft plötzlich infrage. Die Krebstherapie hingegen macht den meisten Betroffenen Hoffnung. Hier setzt die Lehre der Achtsamkeit an: auf den Augenblick konzentrieren, in sich hineinhören und keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Achtsamkeit ist ein Weg zu mehr Gelassenheit
Menschen, die ihre Krebserkrankung gut bewältigen, beschreiben oft, dass sie zwei Komponenten der Achtsamkeit verinnerlicht haben:
- Leben im Hier und Jetzt
- Akzeptanz des Lebens, wie es ist.
In der Verbindung beider gelingt es, das wahrzunehmen, was möglich ist, was gut ist und was Freude macht. Die Lehre der Achtsamkeit zielt darauf ab, dass wir uns Zeit für den Moment nehmen und diesen aufmerksam betrachten. Sie ist eine natürliche Arznei des Menschen, um Stress zu vermeiden oder zu lindern. Und sie hilft dabei, schon früh Anzeichen einer Belastung zu erkennen und nicht achtlos zu übergehen.
Ursprünglich kommt der Gedanke der Achtsamkeit aus der buddhistischen Lehre. Populär wurde er durch Jon Kabat-Zinn, der Ende der 1970er Jahre ein Trainingsprogramm – die Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) – entwickelte, um uns den Umgang mit Stress, Ängsten oder Krankheiten zu erleichtern.
Das eigene innere Gleichgewicht bei Krebs finden
Zur Wahrnehmung des Augenblicks hilft es, sich immer wieder selbst zu fragen: Brauche ich gerade möglichst viele Leute um mich herum oder möchte ich lieber meine Ruhe haben? Was genau macht mir jetzt Angst?
Mit ein bisschen Training gelingt es, sensibler als in der üblichen Wahrnehmung den eigenen Körper zu empfinden, Gedanken zu beobachten, Gefühle zu erspüren. Und zugleich darauf zu achten, wie die Umwelt und Dein Organismus zusammenhängen. Du empfindest dann beispielsweise nicht mehr nur Unwohlsein, sondern kannst deutlicher wahrnehmen, was genau diese auslöst – ebenso bei Schmerzen, Übelkeit, Gereiztheit oder Müdigkeit. Wer seine Gedanken aufmerksam beobachtet und lernt, Emotionen nachzuspüren, kann Belastungen stärker entgegentreten.
In der Folge sorgt Achtsamkeit für mehr Zufriedenheit und Gelassenheit. Hinzu kommt, dass Achtsamkeitstraining dabei helfen kann, den Stress, der durch die Krebsdiagnose entsteht, zu reduzieren. Und weniger Stress kann wiederum den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.

Körper und Geist reagieren auf Belastungen, indem sich der Herzschlag beschleunigt oder negative Gefühle aufkommen. Beide zeigen auch Reaktionen, wenn der Organismus Entspannung erfährt. Der Blutdruck sinkt und positive Gedanken stellen sich ein. Dabei helfen Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training und Meditation.
Vielleicht ist es Dir durch Achtsamkeit sogar möglich, manche Nebenwirkungen der Therapie besser zu akzeptieren und mit ihnen zu leben – beispielsweise, wenn sich Deine Haare verändern oder Du Dich in Deiner Haut nicht wohlfühlst. Diese Umstände zu akzeptieren und mit seinem Äußeren im Reinen zu sein, kann bei der Krankheitsbewältigung helfen. Kurse zu Progressiver Muskelentspannung, Autogenem Training und Meditation werden häufig von der Krankenkasse unterstützt.
Zeit zu zweit: Achtsamkeit in der Partnerschaft bei Krebs
Achtsam sein bedeutet, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse besser zu verstehen. Das hilft auch dabei, sich besser mit dem Partner austauschen zu können. Weißt Du wirklich, warum Dein Partner heute schlecht gelaunt war? Kennst Du die Lebensträume Deiner Partnerin? Sprecht Ihr regelmäßig über Eure Gefühle und Gedanken oder macht Euch das Angst?

Gerade wenn eine Diagnose wie Krebs das bisherige Leben auf den Kopf stellt und Ihr mit vielen neuen Situationen konfrontiert seid, kann es ungemein wichtig sein, achtsam zu sein. Das gilt für den Erkrankten genauso wie für den Partner. In sich hineinzuhören, die Bedürfnisse zu formulieren und schöne Momente zuzulassen und zu genießen, kann viel Kraft geben.
Weniger Smartphone – mehr Aufmerksamkeit
Achtsamkeit ist also eine spezielle Form der Aufmerksamkeit. Und wenn der größte Aufmerksamkeitsräuber unserer Zeit das Smartphone ist, dann gibt es nur eins: Digital Detox. Weil wir im Schnitt alle 12 Minuten aufs Display gucken, können wir uns weder auf das konzentrieren, was um uns herum passiert, noch auf uns selbst. Zusätzlich geraten wir in Stress: Theo will jetzt eine Antwort auf seine WhatsApp, Irene sofort wissen, ob Du ihre neue Frisur schick findest – denken wir zumindest.
Die wenigsten Menschen müssen 24 Stunden erreichbar sein. Vielleicht erklärst Du einen Raum zur handyfreien Zone, planst eine feste Smartphone-Auszeit am Tag ein, schaltest einfach mal ein Wochenende in den Flugmodus. Du wirst merken, wie viel aufmerksamer Du auf Deine Umgebung, die Menschen um Dich herum und auf Dich selbst eingehen kannst.

Achtsamkeit bei Krebs lernen
Die meisten Krankenkassen unterstützen Kurse zum Thema Stressbewältigung durch Achtsamkeit, die auf dem Programm MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) basieren. Diese Methode der Stressbewältigung setzt auf Achtsamkeit und dient sowohl zur Vorbeugung von stressbedingten Erkrankungen als auch zur Behandlung von chronischen Krankheiten.
Achtsamkeit ist auch ein anerkanntes Verfahren innerhalb der Psychotherapie. Ärzte und Diplom-Psychologen, die als MBSR-Lehrende ausgebildet sind und Achtsamkeit in die Gruppen- oder Einzeltherapie einbinden, findest du unter MBSR-MBCT-Verband.
quellen
¹ https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebs-und-psyche/entspannungstechniken-fuer-krebspatienten.html, zuletzt abgerufen am 17.12.2020