Wissen hilft: Therapie bei fortgeschrittenem Lungenkrebs
Was ist, wenn meine Krebstherapie nicht mehr wirkt? Welche Optionen bleiben mir? Erfahre, wie Tumortestung neue Möglichkeiten bei fortgeschrittenem Lungenkrebs aufzeigen kann. Erfahre, wie Maria und Nils damit umgehen und welche Perspektiven ihnen Hoffnung geben.
Die wichtigsten Infos im Überblick:
- Während der medikamentösen Therapie beim fortgeschrittenen Lungenkrebs können sich Resistenzen entwickeln, sodass die Behandlung nicht mehr den gewünschten Therapieerfolg bewirkt.
- Durch eine Tumortestung kann dein Behandlungsteam besser mit dir zusammen entscheiden, welche Optionen jetzt für dich infrage kommen (z. B. leitliniengerechte Kombinationstherapien).
- Wie das Wissen über Therapieoptionen Betroffene mit fortgeschrittenem Lungenkrebs darin bestärken kann, ihre Therapie zuversichtlich anzutreten, teilen Maria und Nils im Interview.
Was bedeutet Therapieresistenz bei Krebs?
Eine Therapieresistenz entsteht, wenn Tumorzellen unempfindlich gegen die eingesetzten Krebsmedikamente werden. Bei Lungenkrebs treten im Erbgut oft charakteristische „krebstreibende Veränderungen“ (Treibermutationen) auf, die das Tumorwachstum beschleunigen.1,2 Medikamente, die von diesen Genen gesteuerte Signalwege hemmen, sorgen dafür, dass der Tumor langsamer wächst.
Tumorzellen gelten als „genomisch instabil“, das heißt, sie sammeln genetische Mutationen (also Veränderungen) in ihrem Erbgut an und können diese bei der Zellteilung weitergeben. Durch die Behandlung unterliegen sie einem sogenannten Selektionsdruck — und passen sich an. Im Verlauf der Behandlung kann es daher zu Veränderungen in den betroffenen Genen und den von ihnen gesteuerten Signalwegen kommen, sodass die Zellen unempfindlich für das Medikament werden..3,4 Dies kann schließlich dazu führen, dass die Krebserkrankung weiter fortschreitet.
Wie entstehen Therapieresistenzen bei Krebs?
Therapieresistenzen entwickeln sich zum Beispiel, wenn neue Tumortreiber entstehen oder eine Genveränderung im bisherigen Tumortreiber auftritt. 3,4 Das bedeutet: Die Tumorzelle wird zum Beispiel unabhängig von Wachstumssignalen und umgeht bisher essentielle Signalwege. Dadurch kann die Tumorzelle dem Wirkmechanismus des Medikaments ausweichen.
Darüber hinaus gibt es weitere mögliche Gründe für die Entstehung von Therapieresistenzen:
- Unzureichende Aufnahme des Medikaments (Absorption), z. B. bedingt durch Durchfall3
- Das Medikament wird vom Körper nicht richtig verstoffwechselt3
- Das Medikament gelangt nur unzureichend in das zentrale Nervensystem3
- Tabakkonsum (begünstigt Resistenz gegen Chemotherapie)5
- Störung in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms6,7
Was hilft bei Therapieresistenzen in der Krebsbehandlung?
Wenn bei dir eine Resistenz gegen deine bisherige Tumortherapie vorliegt, wird dein Behandlungsteam weitere Therapiemöglichkeiten mit dir besprechen. Eventuell kommt für dich der Wechsel auf andere Medikamente infrage.
Um die Krebstherapie zu optimieren, wird häufig eine Kombination mehrerer Substanzen eingesetzt, beispielsweise eine Chemotherapie mit einer zielgerichteten Therapie oder Immuntherapie.8,9 Diese greifen dann gleichzeitig verschiedene „Schwachstellen“ der Tumorzellen an.
Die Ergebnisse einer genetischen Tumoranalyse / eines Tumorprofilings ermöglichen eine bessere Einschätzung, welche Behandlungsmöglichkeiten individuell für dich infrage kommen.
Neue Chancen kann die Tumortestung insbesondere eröffnen, wenn eine Lungenkrebserkrankung fortgeschritten oder selten ist und/oder sich Metastasen gebildet haben.

Warum Tumortestung den Unterschied macht
Wie Tumortestung Hinweise auf die passende Behandlung geben kann >>>
Auch wenn alle Therapien ausgeschöpft sind, die in den Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen werden, kann ein Tumorprofiling hilfreich sein. Dein Behandlungsteam kann dadurch bestimmte Therapien ausschließen, auf die der Tumor nicht anspricht. So können dir unnötige kräftezehrende Behandlungsversuche und eventuelle Nebenwirkungen erspart werden.
Die Ergebnisse der Tumortestung können außerdem Hinweise darauf geben, ob eine Teilnahme an einer klinischen Studie möglich ist. Sprich mit deinem Behandlungsteam darüber, ob das in deiner Situation sinnvoll sein könnte – und wie ihr herausfinden könnt, ob es aktuell eine passende Studie gibt, die gezielt nach einer besseren Therapie für dein Tumorprofil sucht.

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Wie entscheidend das Wissen über Tumortestung und Therapieoptionen sein kann, wissen Maria und Nils aus ihren eigenen Erfahrungen.
Maria ist 35 Jahre alt, als sie 2019 erfährt, dass sie an ALK-positivem Lungenkrebs erkrankt ist. Drei Jahre später erhält auch Nils seine Diagnose, im Alter von 39 Jahren: Adenokarzinom, nicht-kleinzelliger Lungenkrebs, der bereits in die Pleura metastasiert ist.
Seitdem engagieren sich die beiden dafür, über das Leben mit der Erkrankung aufzuklären. Links zu ihren Social-Media-Profilen findest du am Ende des Beitrags.
Lieber Nils, wie hast du den Moment erlebt, als dir klar wurde: Du hast verschiedene Behandlungsoptionen?
Nils: Das Klinikum, in dem ich meine Lungenkrebsdiagnose erhalten habe, hatte keine Behandlungsoptionen für mich. Ich habe damals zunächst mit einem Chirurgen gesprochen. Da meine fortgeschrittene Lungenkrebserkrankung nicht operabel war, sagte er, es gebe keine Behandlungsmöglichkeit.
Ich bin dann in ein Klinikum gekommen, das zu einem Nationalen Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM) gehört. Da konnten mir mehrere Optionen angeboten werden – aufgrund einer molekularen Testung, bei der EGFR-Mutationen gefunden worden sind. Bei meiner Teilnahme an einer Studie ist außerdem eine BRCA2-Keimbahnmutation gefunden worden. Dadurch haben sich viele weitere Therapiemöglichkeiten ergeben.
Das hat mir natürlich ein gutes Gefühl gegeben. Denn dadurch wusste ich: Nach Option A habe ich auch noch Möglichkeit B oder C. Das zu erkennen, war ein großer Moment für mich!

Genetische Veränderungen in Krebszellen
Liebe Maria, wie lief die Therapieentscheidung bei dir ab?
Maria: Bei meiner Lungenkrebsdiagnose hat mir mein Arzt eine zielgerichtete Therapie vorgeschlagen. Da war ich einfach froh, dass es eine passende Behandlungsmöglichkeit für mich gibt und habe noch gar nicht über weitere Optionen nachgedacht – aber hinterfragt, ob das wirklich das passende Medikament zu diesem Zeitpunkt für mich ist.
Um mich abzusichern, habe ich eine Zweitmeinung in einer zertifizierten Lungenkrebsklinik eingeholt. Dort konnte die Entscheidung für die zielgerichtete Therapie bestätigt werden.
Durch den Austausch mit meinem Arzt, anderen Betroffenen sowie Patientenorganisationen und durch Webinare, an denen ich im Verlauf der Jahre teilgenommen habe, weiß ich natürlich, dass es nach meinem Medikament noch andere Optionen gibt. Das ist beruhigend zu wissen. Denn mir ist klar: Falls meine Therapie bei mir nicht mehr wirkt, gibt es andere Möglichkeiten für mich. Das gibt mir eine große Sicherheit
Wie geht ihr mit der Frage um: Was ist, wenn meine Krebstherapie nicht mehr wirkt?
Nils: Wichtig zu wissen: Ein Tumor ist nicht homogen. Manche Mutationen, die vorliegen, führen vielleicht erst bei einem späteren Rezidiv zu erneutem Wachstum. Dann kann es sinnvoll sein, die bisherige Krebstherapie anzupassen – zum Beispiel mit einem weiteren Wirkstoff zu kombinieren. Entscheidend ist, dass man herausfindet: Wodurch wächst der Tumor gerade? Was ist jetzt in den Tumorzellen verändert, sodass diese wieder wachsen?
Wird bei der erneuten Tumortestung eine weitere Mutation gefunden, gibt es möglicherweise eine zielgerichtete Therapie, die sich genau gegen diese Mutation richtet – oder eine passende Studie.

Maria: Genau darauf habe ich meinen Arzt angesprochen. Ich habe konkret gefragt: Was wäre, wenn meine Therapie nicht den gewünschten Therapieerfolg bringt? Er hat mir klar gesagt: Dann werden die Tumoreigenschaften noch einmal ganz genau untersucht. Anhand der Ergebnisse würden wir dann besprechen, welche Therapieoptionen es zu dem Zeitpunkt und in der Situation für mich gibt.
Welche Rolle nimmt das Behandlungsteam ein, damit ihr euch gut aufgehoben fühlt?
Maria: Mir ist wichtig, dass die verschiedenen Kompetenzfelder eng zusammenarbeiten, zum Beispiel meine Radiologen mit den Ärzten im Klinikum und dem niedergelassenen Pneumologen – und alle immer auf dem gleichen Informationsstand über meine Befunde sowie Therapie sind.
Entscheidend ist, dass ich mit ihnen ehrlich und auf Augenhöhe sprechen kann, alles so erklärt wird, dass ich es wirklich verstehe und meine Patientenwünsche berücksichtigt werden. Denn bei einer metastasierten Lungenkrebserkrankung geht es ja um eine Behandlung, die viele Lebensbereiche betrifft und sich über mehrere Jahre erstreckt.
Was könnt ihr Menschen mit Krebs mit auf den Weg geben, die das Gefühl haben, es bleibe ihnen keine Behandlungsoption mehr?
Nils: Ich würde zwei Dinge tun: erstens eine Zweitmeinung einholen – bei einem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) oder einem Stützpunkt des Nationalen Netzwerks Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM). Zweitens würde ich meine Krankenakte an ein Studienvergleichsportal senden.
Maria: Ich würde auf jeden Fall raten: Informieren, informieren, informieren! Das heißt: mit seinen Ärzten sprechen, eine Zweitmeinung einholen, online auf seriösen Plattformen recherchieren und sich mit anderen Betroffenen austauschen, die in einer ähnlichen Situation sind. All das gibt mir wieder Mut und Hoffnung. Ich kenne das Gefühl selbst, verzweifelt zu sein – und weiß, dass Betroffene einander Lichtblicke geben können.
Mehr Infos über Marias Weg im Leben mit Krebs findest du auf ihrem Instagram-Kanal „jung.mutig.lungenkrebs“.
Nils‘ Engagement zur Unterstützung von Menschen mit Krebs kannst du in seinem Podcast „Krebs! Was nun?“ sowie auf dem zugehörigen Instagram-Kanal verfolgen.
Inhaltlich geprüft: M-DE-00028383
Quellen
¹ Deutsches Krebsforschungszentrum | Kombinationstherapie kann Resistenzentwicklung von Lungenkrebszellen hinauszögern. https://www.dkfz.de/aktuelles/pressemitteilungen/detail/kombinationstherapie-kann-resistenzentwicklung-von-lungenkrebszellen-hinauszoegern, zuletzt abgerufen am 24.09.2025.
² Nationales Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs | Treibermutationen beim Lungenkrebs. https://nngm.de/patienten/treibermutationen/, zuletzt abgerufen am 25.09.2025.
³ Schwender T. Strategien bei Progress unter einem Tyrosinkinase-Hemmer. Schweizer Zeitschrift für Onkologie 2021;1:40-41. https://www.rosenfluh.ch/50484, zuletzt abgerufen am 24.09.2025.
⁴ Cooper AJ et al. Nat Rev Clin Oncol. 2022;19(8):499-514. Erratum in: Nat Rev Clin Oncol. 2022;19(11):744. https://europepmc.org/backend/ptpmcrender.fcgi?accid=PMC9621058&blobtype=pdf, zuletzt abgerufen am 24.09.2025.
⁵ Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF) | Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms, Version 4.0, Stand April 2025;63. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Lungenkarzinom/Version_4/LL_Lungenkarzinom_Langversion_4.0.pdf, zuletzt abgerufen am 24.09.2025.
⁶ Cheng WY et al. The role of gut microbiota in cancer treatment: friend or foe? Gut. 2020;69(10):1867-1876. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7497589/, zuletzt abgerufen am 25.09.2025.
⁷ Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF) | Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms, Version 4.0, Stand April 2025;198-439. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Lungenkarzinom/Version_4/LL_Lungenkarzinom_Langversion_4.0.pdf, zuletzt abgerufen am 24.09.2025.
⁸ Deutsches Krebsforschungszentrum | Kombinationstherapie kann Resistenzentwicklung von Lungenkrebszellen hinauszögern. https://www.dkfz.de/aktuelles/pressemitteilungen/detail/kombinationstherapie-kann-resistenzentwicklung-von-lungenkrebszellen-hinauszoegern, zuletzt abgerufen am 25.09.2025.
⁹ Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF) | Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms, Version 4.0, Stand April 2025;198-439. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Lungenkarzinom/Version_4/LL_Lungenkarzinom_Langversion_4.0.pdf, zuletzt abgerufen am 24.09.2025.




