Tumor-Profiling: Kenne deinen Krebs!
Lungenkrebs? Damit hätte Nils nie gerechnet, als er mehrfach wegen anhaltenden Rückenschmerzen bei verschiedenen Ärzten war: Er ist zu diesem Zeitpunkt jung und hat keinerlei typische Risikofaktoren. Doch die Diagnose ist Realität und der Krebs hat zu dem Zeitpunkt schon gestreut. Aber statt sich entmutigen zu lassen, wird Nils aktiv.
Nachdem Nils mit Rückenschmerzen monatelang verschiedene Ärzte und Ärztinnen aufsuchte, erhält er im Oktober 2022 die Diagnose: Lungenkrebs. Doch statt zu resignieren, macht er sich kurzerhand auf die Suche nach seiner besten Therapiemöglichkeit: Er informiert sich umfassend, holt eine Zweitmeinung ein und lässt ein genaues molekulares Profil seines Tumors erstellen. Das Ergebnis der Testung gibt ihm Therapieoptionen, die seinen Krebs in Schach halten können. Nils, der Teil der K Wort Redaktion ist, lässt uns an seinen Erfahrungen teilhaben. Er macht deutlich, wie wichtig es ist, den Krebs genau zu kennen und was du selbst tun kann, um zur richtigen Behandlung zu kommen.
Wie war die Situation, als du deine Diagnose bekommen hast?
Es war wie im Film: Der Stuhl wurde ans Bett gerückt und mir wurde gesagt: „Ja, das sieht nach Krebs aus. Er ist bösartig und schon metastasiert, es ist Stadium vier, also fortgeschritten.“ Das heißt, es wurden keine Behandlungsoptionen dargestellt und eine kurze Lebenszeit prognostiziert. Das war schon eine ziemliche Endzeitstimmung.
Wie wurde der Tumor denn festgestellt?
Das erste Krankenhaus hat auf der Grundlage einer CT-Untersuchung von meinem Orthopäden, die auffällig war, eine Biopsie vom Rippenfell vorgenommen. Das Ergebnis war die Krebsdiagnose, so kann man das verkürzt darstellen. Aber der Pathologiebericht war leer – da wurde ich stutzig.
Danach hast du selbst recherchiert?
Ja, genau. Ich habe erstmal herausgefunden, dass NCTs (Nationale Zentren für Tumorerkrankungen) oder Zentren vom NNGM (Nationales Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs) das Maß der Dinge in Deutschland sind. Dort habe ich mir eine Zweitmeinung eingeholt. Anschließend wurde dort die Diagnostik nochmal neu aufgerollt nach den Standards, die dort herrschen. Das hat mir ein gutes Gefühl gegeben, weil man jetzt dem Ganzen auf den Grund gegangen ist. Hier hat man die Tumorauswertung aus dem ersten Krankenhaus nochmal verfeinert. Ich rate, tatsächlich nochmal das Gespräch mit dem Behandlungsteam zu suchen, warum die diagnostischen Verfahren ausgelassen wurden, die wichtig sind, um meinen Krebs wirklich zu kennen. Es fehlen einfach Pfeile im Köcher, wenn man zu wenig über den Krebs weiß. Denn durch ein genaues Profil ergeben sich Therapieoptionen.
„Für mich waren das Tumorprofiling und das Wissen über den Krebs entscheidend für meinen Therapieverlauf.“
Nils, Lungenkrebsbetroffener
Was kam bei der Auswertung raus? Hast du neue Informationen erhalten?
Da sind zwei Dinge herausgekommen: Einmal, dass mein Tumor eine EGFR-Treibermutation hat. Das heißt, dass der Krebs praktisch durch diese Treibermutation unkontrolliert wächst. Dafür gibt es zurzeit eine Therapie. Und bei einer weiteren Untersuchung, die etwas weiter ging, wurde herausgefunden, dass ich eine BRCA2-Keimbahnmutation habe. Also eine vererbbare Mutation, die von einem der beiden Elternteile weitergegeben wird.
Wusstest du vorher, welche Rolle die Genetik bei Krebs spielt?
Nein, ich habe mich nie mit den genetischen Voraussetzungen bei Krebs befasst. Ich wusste, dass meine Großmutter an Krebs gestorben ist. Die habe ich selbst noch gepflegt. Meine Urgroßmutter auch. Und viele in der Verwandtschaft haben Krebs. Aber dass es Untersuchungsmöglichkeiten gibt für genetische Voraussetzungen oder irgendwelche Tumormarker, das habe ich nicht gewusst.
Wie bekommt man heraus, ob der Krebs in den Genen liegt? Welche Diagnostik braucht man dafür?
Ich hatte das Glück, dass ich in eine wissenschaftliche Studie aufgenommen wurde, gleich am Anfang der Erkrankung. Was ich auch nur empfehlen kann. Da sind die diagnostische Bandbreite und auch die intensive Betreuung der Patienten noch einmal höher. Bei mir wurde eine Liquid Biopsy, durchgeführt. Das heißt, mithilfe einer einfachen Blutprobe wurde eine genetische Tumortestung gemacht. Da wurde diese BRCA2-Keimbahnmutation eigentlich herausgefunden. Das bedeutet, dass die Mutation in jeder Zelle meines Körpers steckt. Nicht nur im Tumormaterial, sondern auch im Blut. Und um das zu verifizieren, wurde ich dann zu einer Humangenetikerin überwiesen. Hier wurde die BRCA2-Mutation bestätigt. Diese Humangenetik-Untersuchung wurde dann auf meine Familie ausgeweitet. Weil ich der Erste in der Familie war, bei dem diese Mutation ans Tageslicht gekommen ist.
Und was ist mit der EGFR3-Mutation? Wie hat man das herausgefunden?
Man hat bei mir ein sogenanntes Next Generation Sequencing durchgeführt, da hat man die EGFR3-Mutation entdeckt.
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Der Therapie auf der Spur
Du hast die Liquid Biopsy als Grundlage deiner genetischen Untersuchung erwähnt – wie lief sie ab?
In der spezialisierten Klinik gibt es auch die Möglichkeit einer Liquid Biopsy, das ist zum Beispiel eine Blut-Untersuchung. Ähnlich wie wenn ich beim Hausarzt den Eisenwert bestimmen lasse. Es ist kein großer Eingriff, aber man kann dadurch viele Informationen gewinnen. Genauso ist es auch bei der Humangenetik, dort ist es auch nur eine Kanüle Blut, die man abgeben muss. Alles andere passiert im Hintergrund. Nach ungefähr zwei Wochen gibt es ein Ergebnis, das man dann mit dem onkologischen Behandlungsteam bespricht.
Und wie läuft eine Biopsie des Tumorgewebes ab?
Eine Biopsie wird in den meisten Fällen schon bei der Erstdiagnose oder bei einem Rezidiv gemacht. Je nachdem, wo das Tumorgewebe liegt, kann es punktiert werden oder es wird im Rahmen einer Operation entnommen. Man sollte nur darauf achten, dass man an einem spezialisierten Zentrum ist, das alle diagnostischen Möglichkeiten ausschöpft.
„Ich würde das immer machen, weil man dann den Tumor ganz genau kennt. Das verschafft einem mehr Behandlungsoptionen.“
Nils, Lungenkrebsbetroffener
Welche Vorteile hat es dir gebracht, die speziellen Eigenschaften von Tumorzellen genau zu kennen?
Die Vorteile sind, dass Medikamente gezielt eingesetzt werden können. Dass ich möglichst wenig Nebenwirkungen habe, weil die Medikamente nur auf die veränderten Eigenschaften von Krebszellen abzielen und nicht auf alle anderen Zellen: Nur das, was es soll. Oder nur auf die Eigenschaften gezielt einwirken, die durch Treibermutationen verursacht werden und nicht auf alle anderen Zellen.
„Jetzt habe ich auf einmal verschiedene Behandlungsoptionen und einen viel größeren Einblick in die Möglichkeiten und die Behandlungsschritte, die noch folgen könnten.“
Nils, Lungenkrebsbetroffener
Deiner Einschätzung nach: Wann sollte denn die Testung erfolgen?
Eine Testung sollte in jedem Stadium und auch in jedem Alter erfolgen. Für mich dürfte da keine Grenze gezogen werden, denn auch in ganz frühen Stadien der Erkrankung können Medikamente dafür sorgen, dass es kein Rezidiv gibt. Selbst wenn mein Krebs wieder anfängt zu wachsen, würde ich erneut eine Biopsie durchführen, um zu wissen, warum er wieder wächst. Was ist da passiert? Was hat sich geändert? Denn wenn mir Entscheidungsgrundlagen fehlen, dann kann ich keine gute Entscheidung treffen.
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Welchen Tipp hast du für Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind wie du zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose?
Nicht aufgeben! Hätte ich nach dem ersten Krankenhaus gleich aufgegeben, säße ich wahrscheinlich heute nicht hier. Das Zweite ist die Zweitmeinung. Das Recht auf eine Zweitmeinung ist in Deutschland im Gesetz verankert (§ 27b SGB 5 ). Ohne das Recht auf eine Zweitmeinung wäre ich wahrscheinlich auch nicht hier. Drittens: Lass dich in einem spezialisierten Zentrum behandeln, das alle diagnostischen Möglichkeiten ausschöpft. Und das informiert dich über geeignete Therapieoptionen!
Nils Podcast findest du online unter dem Titel „Krebs! Was nun?“
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Inhaltlich geprüft: M-DE-00023726