Bewegungstherapie: Aktiv gegen Nebenwirkungen
Früher wurde bei Krebserkrankungen häufig Ruhe und Schonung verordnet, heute weiß man, wie wichtig Bewegung für einen positiven Therapieverlauf der Erkrankung ist. Ein individuell abgestimmtes Training kräftigt nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche und trägt entscheidend zur Krankheitsbewältigung bei.
Innovatives Therapiekonzept
Das Universitätsklinikum Köln hat zusammen mit der Deutschen Sporthochschule die onkologische Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) entwickelt. Kernstück von OTT ist ein Kraft- und Ausdauertraining. Das Programm ist ausschließlich für Krebspatientinnen und -patienten gedacht und kann einen positiven Einfluss auf verschiedene Nebenwirkungen der medizinischen Therapie nehmen.1 Die Therapie wird individuell an die jeweiligen Bedürfnisse und die Verfassung der Patientinnen und Patienten angepasst.
Im Unterschied zu einer onkologischen Rehabilitation beginnen die Teilnehmenden während oder zum Teil sogar schon vor der medizinischen Behandlung mit einem Bewegungstraining. In der Reha erfolgen vergleichbare Maßnahmen erst nach Abschluss der Therapie. Zeit, die mit OTT bereits genutzt werden kann. Wie das Training genau abläuft, erfährst du hier.
Eine weitere Besonderheit ist, dass das Training dort stattfindet, wo du medizinisch betreut wirst und Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen sowie Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler für dein individuelles Training zusammenarbeiten. Mehrere dutzend Krebszentren in Deutschland arbeiten mit dem OTT-Konzept. Ob es eine spezielle Einrichtung mit OTT im Angebot in deiner Nähe gibt, erfährst du hier.
Eine onkologische Bewegungstherapie kann sich positiv auswirken auf…2
- Nebenwirkungen
Während und nach einer Krebstherapie können Nebenwirkungen gelindert werden. - Polyneuropathie
Eine Nervenerkrankung, die sich zum Beispiel als Taubheitsgefühl in den Extremitäten äußert, kann durch ein spezielles Gleichgewichtstraining gelindert werden. - Physische Belastbarkeit
Die körperliche Leitungsfähigkeit wird verbessert und ein Abbau von Muskulatur und Knochendichte verhindert. - Allgemeinzustand
Betroffene nehmen aktiver an ihrer Therapie teil und können den Genesungsprozess positiv beeinflussen. - Therapietreue
verbessert sich, denn die Patientinnen und Patienten sind stabiler und vertragen die medizinischen Behandlungen besser. Therapien werden seltener abgebrochen. - Körperwahrnehmung und Selbstwertgefühl werden gestärkt.
- Soziales Umfeld
Viele Patientinnen und Patienten erfahren eine psychosoziale Stärkung durch den Austausch mit anderen Betroffenen während der Bewegungseinheiten in der Gruppe. - Risiko
ein Rezidiv zu erleiden, wird für einige Krebsarten wie Brust-, Prostata- und Dickdarmkrebs nachweislich verringert.
OTT – Was heißt das konkret?
Du möchtest an OTT teilnehmen? Dann benötigst du eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von deinem Ärzteteam, das mit dir auch alles bespricht, was im Zusammenhang mit der Erkrankung für deinen personalisierten Bewegungsplan wichtig ist. Eine speziell qualifizierte Therapeutin oder ein Therapeut wird dich dann mit allen Trainingsgeräten vertraut machen, zum Beispiel mit Laufband, Crosstrainer oder Rudergerät.
Das OTT-Konzept wird von der Deutschen Krebsgesellschaft empfohlen und von einigen Krankenkassen anerkannt. Frag bei deiner Krankenkasse nach, ob sie die Kosten übernimmt.
Auf einer Chipkarte werden individuelle Trainingsziele und die Trainingsintensität gespeichert. Deine Therapeutin oder dein Therapeut kann nach Bedarf einzelne Bausteine und Geräte ergänzen. Viele Krebspatientinnen und -patienten erleben beispielsweise Missempfindungen in Händen und Füßen. Hier eignet sich ein Training mit einer Vibrationsplatte, das Muskelaufbau, Durchblutung und Koordination fördert.
Damit das Training effektiv ist, ist Regelmäßigkeit wichtig. Ein- bis zweimal in der Woche solltest du dich also körperlich betätigen. Auch nach der medizinischen Behandlung kannst du noch mindestens zwölf Wochen im Rahmen der OTT trainieren.
OTT während der Therapie
Auch wenn das Training vor oder während der medizinischen Behandlung starten kann – nach einer Operation wird zunächst die Wundheilung abgewartet. Leichte Bewegung ist bereits ein oder zwei Tage nach der OP möglich. Außerdem können Muskelgruppen, die von der OP nicht beeinträchtigt sind, trainiert werden – zum Beispiel die Beine nach einer Brust-OP.
Wenn du eine Chemo- oder Strahlentherapie erhältst, werden zudem die Blutwerte kontrolliert. Bestimmte Grenzwerte für Hämoglobin und Thrombozyten sollten nicht unterschritten werden. Manche Chemotherapeutika können das Herz belasten. Eine Trainingspause von 24 oder 48 Stunden kann nötig sein, bis sich die Werte wieder stabilisiert haben. Leichtes Walken oder Spazierengehen ist aber in jedem Fall möglich.
Mit Bewegung vorbeugen
Durch die OTT profitierst du von einer vorbeugenden Wirkung von Sport und Bewegung. Zum Beispiel kommt eine Polyneuropathie, die im Zusammenhang mit einer Chemotherapie auftreten kann, deutlich seltener vor, wenn du bereits vor oder während der Therapie trainiert hast.3
Vor einer Operation oder einer Chemotherapie ist ein guter Fitnesszustand von Vorteil. Da du sowohl Muskelkraft als auch die Ausdauer trainierst, wirst du insgesamt belastbarer.
Möglichen Nebenwirkungen wie zum Beispiel Muskelschwäche, Lymphödemen, Schlafstörungen oder tumorbedingter Fatigue (Erschöpfungszustand) kann durch das onkologische Training effektiv gegengesteuert werden.4, 5, 6
Mit OTT kannst du selbst aktiv und sehr konkret positiv deinen Genesungsprozess und auch deine Psyche unterstützen.
Inhaltlich geprüft: M-DE-00017970
Quellen
¹ https://www.journalonko.de/artikel/lesen/onkologische_trainings_bewegungstherapie_ott, zuletzt abgerufen am 14.08.2023.
² https://www.krebshilfe.de/informieren/ueber-krebs/mit-krebs-leben/bewegung-und-sport-bei-krebs/, zuletzt abgerufen am 14.08.2023.
³ Kleckner IR, Kamen C, Gewandter JS et al. Effects of exercise during chemotherapy on chemotherapy-induced peripheral neuropathy: a multicenter, randomized controlled trial. Support Care Cancer 2018;26(4): 1019-1028, zuletzt abgerufen am 14.08.2023.
⁴ Baumann FT, Reike A, Reimer V et al. Effects of physical exercise on breast cancer-related secondary lymphedema: a systematic review. Breast Cancer Res Treat 2018;170(1):1-13, zuletzt abgerufen am 14.08.2023.
⁵ Rogers L, Courneya KS, Oster RA et al. Physical Activity and Sleep Quality in Breast Cancer Survivors: A Randomized Trial. Med Sci Sports Exerc 2017;49(10):2009-2015, zuletzt abgerufen am 14.08.2023.
⁶ Mustian KM, Alfano CM, Heckler C et al. Comparison of Pharmaceutical, Psychological, and Exercise Treatments for Cancer-Related Fatigue: A Meta-analysis. JAMA Oncol 2017;3(7):961-968, zuletzt abgerufen am 14.08.2023.