Real World Data – Treibstoff für die personalisierte Medizin
Medizinische Behandlungsdaten aus dem Alltag enthalten wichtige Informationen: Wissenschaftlich ausgewertet können sie dabei helfen, Therapien für Krebserkrankungen noch effektiver und sicherer zu machen.
Real World Data – was ist das eigentlich? Das sind medizinische Daten aus der alltäglichen Versorgung im Krankenhaus und in der Arztpraxis.
Bei jeder Untersuchung in einer Praxis oder Klinik werden deine Gesundheitsdaten, zum Beispiel der Blutdruck, Blutwerte und die Beschreibung deiner Symptome gespeichert. Anschließend werden sie von den Ärztinnen und Ärzten analysiert und du erhältst möglicherweise deine Diagnose. Ganz allgemein versteht man Daten, die - anders als in klinischen Studien - im realen Behandlungsumfeld (= real world) gesammelt werden. Daran erklärt sich auch der Name: Real World Data.
Real World Daten aus dem Alltag werden bisher noch nicht strukturiert gesammelt und ausgewertet. In dieser großen Menge an Daten stecken allerdings extrem wertvolle Informationen, die wissenschaftlich analysiert werden können. Anhand dieser Daten könnten zum Beispiel Krankheitsmuster erkannt und neue Therapien entwickelt werden. Um die medizinische Versorgung insgesamt zu verbessern, sollen die Gesundheitsdaten aus der Behandlungsrealität nun stärker genutzt werden dürfen.
Real World Data sind Gesundheitsdaten aus der alltäglichen medizinischen Versorgung.
Die Menge macht den Unterschied
Die Daten eines einzelnen Menschen bringen allerdings für eine Erkennung von Krankheitsmustern oder neuen Therapien nicht viel, denn daraus lassen sich noch nicht viele Schlüsse ziehen. Erst wenn Forschende Tausende von Datensätzen miteinander verbinden können, werden Gemeinsamkeiten erkennbar, die dann sowohl für die Forschung als auch für den Behandlungsalltag von Bedeutung sind.
Ein Beispiel dafür ist erblich bedingter Brustkrebs: Durch die Analyse von Familiendaten und genetischen Proben identifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft Mutationen in den Genen BRCA1 und BRCA2 als Risikofaktoren für die Entwicklung von Brust- und Eierstockkrebs. Dies führte zur Entwicklung genetischer Tests und Präventivstrategien für betroffene Familien. In wissenschaftlichen Projekten werden derzeit noch weitere Risikogene für Brustkrebs erforscht.
Woher kommen die Daten?
Das Wissen über Krebserkrankungen wächst schnell – viele Informationen gewinnen Ärztinnen und Ärzte auch durch moderne Diagnoseverfahren und genetische Untersuchungen. Krankenhäuser und Arztpraxen speichern diese Daten zum Beispiel in der elektronischen Patientenakte (ePA) Auch die gesetzlichen Krankenkassen speichern viele Gesundheitsinformationen. Krankheitsregister oder Gesundheitsapps speichern ebenfalls Daten ab. Natürlich sind alle Patientendaten streng geschützt und werden für die Forschung nur anonymisiert verwendet.
Was mit deinen Daten, zum Beispiel aus einer Gesundheits-App geschieht, erklärt Das K-Wort Redakteur Carsten Witte.
Wie können Gesundheitsdaten der Forschung helfen?
Im Zuge der Digitalisierung im Gesundheitswesen entstehen zahlreiche Möglichkeiten, die Versorgung für Patientinnen und Patienten zu verbessern und die Arbeit für die Wissenschaft zu erleichtern.
* Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte macht die pseudonymisierten Daten der gesetzlich Krankenversicherten zu Forschungszwecken zugänglich.
Zwei Gesetze treiben das voran:
- das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz - DigiG) mit der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes.
- das Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz - GNDG).
Veränderungen bei der elektronischen Gesundheitsakte (ePA)
Ab 2025 wird die elektronische Patientenakte automatisch geführt - bisher konnte man sich freiwillig dafür entscheiden. Für die Datenfreigabe aus der ePA gilt künftig ein Opt-Out-Verfahren. Das bedeutet, dass deine Daten pseudonymisiert verwendet werden dürfen, wenn du nicht ausdrücklich widersprichst. Hierfür wird eine einfache digitale Verwaltung der Widersprüche eingerichtet, damit Patientinnen und Patienten über die Freigabe ihrer Daten für die Forschung entscheiden können. Versicherte können ihren Widerspruchauch bei den Ombudsstellen der Krankenkassen erklären, wenn sie die ePA nicht nutzen oder ihren Widerspruch nicht digital erklären können oder möchten.2
Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz - GNDG)
Mit dem neuen GDNG sollen die Gesundheitsdaten für die Forschung leichter genutzt werden können. Die Politik schafft damit die Bedingungen, dass Daten von rund 74 Mio. Menschen für die Forschung bereitgestellt werden.3
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können bei der neuen Koordinierungsstelle „Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ)“ einen Antrag stellen und Zugriff auf die Daten erhalten, die sie für ihre Forschungsfrage benötigen.
Dazu wird unter anderem eine neue Infrastruktur für den Austausch von großen Datenmengen aufgebaut. Mithilfe dieser „Datenautobahn“ können erstmals Gesundheitsdaten aus verschiedenen Datenquellen (zum Beispiel aus der elektronischen Patientenakte und den Kliniken) zu Forschungszwecken miteinander verknüpft und abgerufen werden. Alle Daten sind anonymisiert und lassen keine Rückschlüsse auf die jeweiligen Menschen zu - deine Daten sind also immer geschützt.
Was bedeuten die neuen Gesetze für mich?
Mit dem leichteren Zugang zu den anonymisierten Gesundheitsdaten kann die Forschung künftig viel schneller wichtige Informationen gewinnen.
- Die Analyse großer Datenmengen hilft dabei, individuelle Unterschiede in der Wirksamkeit von Behandlungen und Medikamenten besser zu verstehen.2
- Die Erkenntnisse aus diesen Informationen kommen wiederum viel schneller bei den Patientinnen und Patienten in Kliniken und Zentren an. Dazu gehören zum Beispiel Daten zur Sicherheit und den Nebenwirkungen von Therapien.2
- Therapieempfehlungen können verbessert werden – damit jeder Mensch genau die Behandlung bekommt, die am besten zu ihm passt.1
- Es gibt zielgerichtete Therapien, die nur bei ganz bestimmten Eigenschaften eines Tumors infrage kommen. Die Behandlungsdaten der Betroffenen können zusätzlich zu den Zulassungsstudien wichtige Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Therapie enthalten.1
- Die moderne Krebstherapie bietet viele Behandlungsmöglichkeiten – und diese lassen sich vielfältig kombinieren. Es gibt nicht für jede Behandlungssituation eine Studie. Diese Datenlücke kann Real-World-Data schließen.1
Eine große Chance für die Gesundheitsversorgung
Bisher ist noch wenig bekannt, dass Gesundheitsdaten von uns allen in der Forschung analysiert und verglichen werden können, um so die Erforschung neuer Medikamente voranzutreiben. Die Real-World-Daten können dazu beitragen, die Vorsorge, Behandlung und Nachsorge von Erkrankungen zu verbessern. Dieses Ziel wird unter anderem auch von der Nationalen Dekade gegen Krebs verfolgt: Bis 2029 soll die Erkrankung bei drei von vier Krebsbetroffenen geheilt oder langfristig beherrschbar sein.
Inhaltlich geprüft: M-DE-00022945
Quellen
¹ https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw50-de-digitalisierung-gesundheitswesen-980632, zuletzt abgerufen am 17.07.2024.
² https://www.roche.de/innovation/digitalisierung/real-world-data, zuletzt abgerufen am 17.06.2024.
³ https://mammamia-online.de/brustkrebs/brustkrebs-ursachen-risikofaktoren/erblicher-brustkrebs-brca_mutation/, zuletzt abgerufen am 17.07.2024.
⁴ https://www.springermedizin.de/long-covid/elektronische-patientenakte/aufbau-des-neuen-forschungsdatenzentrums-gesundheit-zur-datenber/26621564, zuletzt abgerufen am 19.06.2024.
⁵ https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw50-de-digitalisierung-gesundheitswesen-980632, zuletzt abgerufen am 19.06.2024.