Antikörper-Wirkstoff-Konjugat bei frühem HER2-positivem Brustkrebs
Du hast frühen HER2-positiven Brustkrebs und wurdest vor der Operation mit einer Chemotherapie behandelt? Dann entscheidet sich nach der Operation, wie deine Behandlung weitergeht. Hier erfährst du mehr dazu, welche Rolle die pathologische Komplettremission spielt und welche Therapieoption du hast.
Medikamentöse Therapien, die vor einer Operation gegeben werden, nennt man neoadjuvant. Ihr Ziel ist es, den Tumor zu verkleinern, um z. B. brusterhaltend operieren zu können, oder die Tumorzellen bereits komplett zu zerstören. Zudem kann die Wirkung der eingesetzten Medikamente auf den Tumor festgestellt werden. Bei HER2-positivem frühem Brustkrebs kann neoadjuvant eine Kombination aus Chemotherapie und Antikörpertherapie zum Einsatz kommen.1
Was ist eine pathologische Komplettremission?
Nach Abschluss der neoadjuvanten Therapie erfolgt die Operation. Dabei wird zum einen kontrolliert, ob der Tumor auf die Behandlung angesprochen hat. Zum anderen können noch vorhandene Tumorzellen sowie abgestorbene Zellen im Tumorbett entfernt werden. Das dabei entnommene Gewebe (aus Brust und Lymphknoten) wird pathologisch auf Tumorzellen untersucht. Können keine Tumorzellen mehr nachgewiesen werden, spricht man von einer pathologischen Komplettremission (kurz pCR = „pathologic complete remission“). Die neoadjuvante Therapie konnte den Tumor also vollständig abtöten.2 Anschließend wird mithilfe von Antikörpern (innerhalb der Erhaltungstherapie) das Rückfallrisiko weiter gesenkt.3
Die pCR ist ein prognostischer Faktor. Prognostische Faktoren ermöglichen eine Aussage über den zu erwartenden Krankheitsverlauf – unabhängig von der Therapie. Studien belegen, dass das Erreichen einer pCR bei bestimmten Brustkrebsarten mit einer besseren Prognose zusammenhängt.4
Findet die Pathologin oder der Pathologe noch Tumorzellen im entnommenen Gewebe, wurde keine pathologische Komplettremission erreicht und es liegt keine pathologische Komplettremission vor (non-pCR). In dieser Situation ist es sinnvoll, die Therapie anzupassen. So kann jeder Mensch mit Brustkrebs die individuell bestmögliche Behandlung erhalten.4
Bei HER2-positivem frühem Brustkrebs kann ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (aus dem Englischen Antibody Drug Conjugate, kurz ADC) eine Behandlungsoption sein. In dem Fall sprechen Ärztinnen und Ärzte auch vom „Eskalieren“ der Therapie. Was das für dich heißt, erfährst du hier.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bei Brustkrebs
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) sind eine Kombination aus einer Antikörpertherapie und einer Chemotherapie. Dabei ist das Chemotherapeutikum über einen sogenannten „Linker“ an einen Antikörper gebunden. Der Antikörper erkennt die Tumorzelle und bringt das Medikament gezielt dorthin, wo es wirken soll. Der Vorteil: Es werden weniger gesunde Zellen von der Chemotherapie angegriffen.5
Bei HER2-positivem frühem Brustkrebs kommt ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat zum Einsatz, dessen Antikörper gegen das Oberflächenmolekül HER2 gerichtet ist (HER2-Antikörper). An diesen Antikörper ist ein Chemotherapeutikum über den Linker gebunden. Zunächst bindet der Antikörper an die HER2-Rezeptoren auf der Tumorzelle.5
Diese Bindung hat mehrere Effekte
- Der HER2-Antikörper verhindert mit seiner Bindung an den HER2-Rezeptor, dass weiterhin Wachstumssignale die Tumorzelle erreichen. So wird die unkontrollierte Vermehrung der Tumorzellen gestoppt.
- Zusätzlich markiert die Bindung auf der Zelloberfläche die Tumorzelle für die Zellen des Immunsystems. Diese erkennen nun, dass es sich um eine bösartige Zelle handelt, greifen sie an und zerstören sie.
- Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat wird in die Tumorzelle aufgenommen.5,6
In der Tumorzelle angekommen, wird der Linker gespalten und das Chemotherapeutikum löst sich vom Antikörper. Das freigesetzte Medikament kann nun seine Wirkung entfalten.5
Das Chemotherapeutikum hemmt das Wachstum und somit die Vermehrung der Tumorzelle. Die Tumorzelle stirbt ab und setzt dabei noch vorhandenes Chemotherapeutikum frei. Das kann dann auf die umliegenden Tumorzellen wirken und diese ebenfalls zerstören.7
HER2-Antikörper-Wirkstoff-Konjugate werden als Infusion in die Vene (intravenös) verabreicht und nicht mit einer zusätzlichen Chemotherapie kombiniert.5
Vorteile des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats beim frühen HER2-positiven Brustkrebs
Durch ihre spezifische Wirkweise gibt es den Vorteil, dass trotz der Chemotherapie gesunde Zellen größtenteils verschont werden, da gezielt auf Zellen gewirkt wird, die sehr viel HER2 auf ihrer Oberfläche aufweisen. Nach der Abspaltung vom Antikörper befindet sich das Chemotherapeutikum in der Tumorzelle und schwimmt nicht frei im Blut. Dadurch ist es weniger aggressiv gegenüber gesunden Zellen. Typische Chemotherapie-bedingte Nebenwirkungen wie z. B. Haarausfall treten bei dieser Therapie seltener auf.5
Nebenwirkungen der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate
Jeder Organismus reagiert individuell auf Medikamente. Sprich deswegen immer mit deinem Behandlungsteam, wenn dir etwas beunruhigend erscheint, damit frühzeitig darauf reagiert werden kann. Häufig treten während der ersten Infusion grippeartige Symptome wie Fieber und Schüttelfrost auf, die bei Folgeinfusionen deutlich seltener sind und ggf. medikamentös behandelt werden können. Bei der HER2-Antikörpertherapie muss das Herz regelmäßig engmaschig von einem Spezialisten überwacht werden.5 Weitere Symptome aber auch mögliche Nebenwirkungen zu deinem Medikament findest du auf Gebrauchsinformation 4.0.
Aufgrund des spezifischen Wirkmechanismus wirkt die Therapie nur bei Tumorzellen, die HER2 auf ihrer Oberfläche aufweisen – sowohl beim frühen als auch metastasierten Brustkrebs.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate beim metastasierten HER2-positivem Brustkrebs
Neben dem Einsatz beim frühen Brustkrebs können Antikörper-Wirkstoff-Konjugate auch beim metastasierten oder fortgeschrittenen, nicht operierbaren HER2-positiven Brustkrebs nach einer vorherigen Chemo- oder Antikörpertherapie eingesetzt werden.5
Inhaltlich geprüft: M-DE-00020860
Quellen
¹ https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs/therapie/chemotherapie.html, zuletzt abgerufen am 30.01.2024
² von Minckwitz G et al. Definition and impact of pathologic complete response on prognosis after neoadjuvant chemotherapy in various intrinsic breast cancer subtypes. J Clin Oncol. 2012; 30(15):1796–1804
³ https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/mammakarzinom-der-frau/@@guideline/html/index.html, zuletzt abgerufen am 30.01.2024
⁴ Kümmel S et al. Mammakarzinom: Update 2019. Dtsch Arztebl. 2019; 116(46)
⁵ https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs/therapie/molekularbiologische-therapie.html, zuletzt abgerufen am 01.02.2024
⁶ Fu Z et al. Antibody drug conjugate: the “biological missile” for targeted cancer therapy. Sig Transduct Target Ther. 2022; 7(93)
⁷ Lordick F et al. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate als Entitäts-übergreifendes, zielgerichtetes Therapieprinzip in der Onkologie. Dtsch Arztebl Int. 2023; 120: 329–336