Ist Milch gesund oder krebsfördernd?
Milch und Milchprodukte enthalten viele wertvolle Nährstoffe wie Proteine, Calcium und Vitamin B2. Aber kann es sein, dass Milch auch einiges „macht“, was weniger wünschenswert ist? Fördert Milch bestimmte Krebsarten? Wir fassen für dich zusammen, was die Wissenschaft aktuell dazu sagt.
Viele Krebserkrankungen treten in Nordamerika und Europa auf. Also in Ländern, in denen viel Milch getrunken oder Milchprodukte konsumiert werden – mehr als in anderen Ländern, in denen weniger Krebserkrankungen auftreten.
Außerdem fiel in einer großen schwedischen Bevölkerungsstudie auf, dass Menschen, die keinen Milchzucker vertragen , also laktoseintolerant sind, ein geringeres Risiko haben, an Lungen-, Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken.1 Aber es ist unklar, ob dies daran liegt, dass diese Menschen nur wenig Milch- und Milchprodukte verzehren, oder ob andere, ersatzweise gegessene Lebensmittel einen positiven Einfluss auf das Krebsrisiko haben.1
Wissenschaftler in aller Welt untersuchen deshalb bereits seit vielen Jahren, ob zwischen diesen Fakten ein Zusammenhang besteht. Könnte ein hoher Konsum von Milch- und Milchprodukten für bestimmte Krebserkrankungen mitverantwortlich sein?
Je nach Krebsart: Milchkonsum wirkt unterschiedlich
Es gibt tatsächlich Hinweise darauf, dass durch den Verzehr von Milchprodukten das Risiko steigt, an bestimmten Krebsarten zu erkranken. So zeigen einige Untersuchungen, dass das Risiko für Eierstock- und Prostatakrebs ansteigen könnte.2, 3 Eventuell kann auch die Entstehung von Magenkrebs durch Milchprodukte begünstigt werden.4
Auf andere Krebsarten scheint der Konsum von Kuhmilch weder negative noch positive Effekte zu haben. Und ein mäßiger Konsum zeigt offenbar sogar eine Schutzwirkung: Der World Cancer Research Fund International (WCRF) wertet jedes Jahr die wissenschaftliche Literatur zu unterschiedlichen Krebsarten aus und bestätigte im Jahr 2018 erneut die schützende Wirkung von Milch vor Darmkrebs.5, 6
Für Babys lebenswichtig, für Erwachsene nicht
Das Problem mit der Milch scheint an extrem kleinen Teilchen zu liegen, die in menschlichen Organismus „bioaktive“ Wirkungen entfalten können. Diese sogenannte Mikro-RNA (miRNA) reguliert zahlreiche Prozesse im Körper. Sie hat sich im Laufe der Evolution ausgebildet und ist für die gesunde Entwicklung von Babys enorm wichtig.
Für Erwachsene ist ihre Wirkung aber nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eher schädlich. Denn leider ähnelt sich die miRNA der Milch bei Menschen und Kühen. Diese Bestandteile erhöhen indirekt einen Wachstumsfaktor, der dem Insulin ähnelt.6, 7 Dadurch werden Alterungsprozesse und die Entstehung von Zivilisationskrankheiten wie Krebs begünstigt.6 Wer übermäßig viel Milch und Milchprodukte verzehrt, könnte nach diesen Erkenntnissen seinen Stoffwechsel zu sehr in diese Richtung stimulieren.
Was Babys wachsen lässt, könnte bei Erwachsenen einige Stoffwechselprozesse durcheinander bringen und dadurch das Wachstum und die Vermehrung bestimmter Krebszellen fördern.
Die winzigen Teilchen bleiben in pasteurisierter Milch in größeren Mengen enthalten. Pasteurisiert wird sie, um schädliche Keime abzutöten und sie lange haltbar zu machen. Rohmilch direkt vom Bauern birgt beispielsweise die Gefahr, sich mit gefährlichen Keimen wie Salmonellen oder Listerien anzustecken. Durch Ultrahocherhitzung der Milch auf 130°C kann der Anteil der miRNA verringert werden.8
In den Regalen der Supermärkte findet man vor allem pasteurisierte Milch, da durch dieses Verfahren ebenfalls Keime sicher abgetötet werden. Dabei gehen weniger Nährstoffe verloren als durch Ultrahocherhitzung.
Milch ist ein Nahrungsmittel, kein Getränk
Heißt das nun, du sollst überhaupt keine Milch mehr trinken? Wie immer kommt es auf das richtige Maß an. Ein Glas am Tag zu genießen, wird nach heutigem Stand der Forschung sicher nicht dazu führen, dass du an Krebs erkrankst. Da müssen schon viele weitere schädliche Faktoren zusammentreffen. Aber einen Liter Milch am Tag zu trinken, das wäre auch aus anderen Gründen nicht gut, schon allein aufgrund des hohen Kaloriengehalts durch die Fette und Proteine. Milch ist daher nicht als Getränk anzusehen, sondern ein Nahrungsmittel!
Die Alternative: durch bakterielle Fermentation verändern sich die problematischen Teilchen und verlieren größtenteils ihre ungünstigen Eigenschaften. Das ist eine Erklärung dafür, dass fermentierte Milchprodukten wie Joghurt, Kefir oder Käse nicht schädlich, sondern eher gesundheitsfördernd wirken.9
Joghurt & Co. fördert die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer gesunden Darmflora. Sie wirken positiv darauf, welche Mikroorganismen im Darm unser Wohlbefinden stärken.
Pflanzliche Alternativen
Fazit: Wie bei allem, was du zu dir nimmst, kommt es auch bei Milch, Joghurt, Käse und anderen Milchprodukten auf das richtige Maß an. Wenn du diese gut verträgst und gerne trinkst, brauchst du nicht darauf zu verzichten. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen keinen Grund, vom Konsum von Milch und Milchprodukten in den empfohlenen und bei uns üblichen Verzehrmengen abzuraten.10 Es spricht also nichts gegen ein Glas täglich.
Eine Alternative: Du kannst tierische Milch durch pflanzliche wie Hafer- oder Mandeldrinks ersetzen. Diese Produkte sind häufig mit Calcium angereichert und daher in dieser Hinsicht ähnlich gute Calciumquellen wie Kuhmilch. Aber das ist Geschmackssache, denn den typischen Milchgeschmack können dir diese Produkte nicht bieten. Deinen Calciumbedarf kannst du auch durch calciumreiches Mineralwasser decken, manche Gemüsesorten wie Brokkoli und durch Mandeln, Walnüsse und viele andere pflanzliche Lebensmittel. Als Proteinquelle ersetzen Hafer- und Mandeldrinks Kuhmilch allerdings nicht.
Noch ein Tipp: Mehr Buntes auf den Teller!
Eine vollwertige Ernährung mit reichlich pflanzlichen Lebensmitteln kann das Risiko einer Krebserkrankung senken. Zu diesem Ergebnis kommt der dritte Expertenbericht des World Cancer Research Fund, aus dem im September 2020 ganz aktuelle Ernährungsempfehlungen zur Krebsprävention abgeleitet wurden, die mit den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung übereinstimmen.11
Neben den gesundheitlichen Vorteilen birgt eine rein vegetarische oder vegane Ernährung auch das Risiko eines Mangels an vielen Nährstoffen. Für Krebspatienten ist eine rein vegetarische Ernährung möglich, aber nicht erforderlich.
Den Genuss am Essen und Trinken kann man jedenfalls beibehalten, denn wie immer in der Wissenschaft gilt: Es besteht noch weiterer Forschungsbedarf. Neue Erkenntnisse können entweder durch weitere Untersuchungen bestätigt oder auch widerlegt werden.
Inhaltlich geprüft: M-DE-00022796
Quellen
¹ Ji J, Sundquist J, Sundquist K. Lactose intolerance and risk of lung, breast and ovarian cancers: aetiological clues from a population-based study in Sweden. Br J Cancer 2015;112(1):149-52. doi: 10.1038/bjc.2014.544.
² Larsson SC, Orsini N, Wolk A. Milk, milk products and lactose intake and ovarian cancer risk: a meta-analysis of epidemiological studies. Int J Cancer 2006;118(2):431-41. doi: 10.1002/ijc.21305. PMID: 16052536.
³ Gao X, LaValley MP, Tucker KL. Prospective studies of dairy product and calcium intakes and prostate cancer risk: a meta-analysis. J Natl Cancer Inst 2005;97(23):1768-77. doi: 10.1093/jnci/dji402. PMID: 16333032.
⁴ Sun Y, Lin LJ, Sang LX, Dai C, Jiang M, Zheng CQ. Dairy product consumption and gastric cancer risk: a meta-analysis. World J Gastroenterol 2014;20(42):15879-98. doi: 10.3748/wjg.v20.i42.15879. PMID: 25400475; PMCID: PMC4229556.
⁵ World Cancer Research Fund. Meat, fish and dairy products https://www.wcrf.org/sites/default/files/Meat-Fish-and-Dairy-products.pdf (Zugriff: 07.10.2020)
⁶ Aune D, Lau R, Chan DSM, Vieira R, Greenwood DC, Kampman E, Norat T. Dairy products and colorectal cancer risk: a systematic review and meta-analysis of cohort studies. Ann Oncol 2012;23(1):37-45. doi: 10.1093/annonc/mdr269. Epub 2011 May 26. PMID: 21617020.
⁷ Melnik BC, John SM, Schmitz G. Milk is not just food but most likely a genetic transfection system activating mTORC1 signaling for postnatal growth. Nutr J. 2013;12:103. doi: 10.1186/1475-2891-12-103. PMID: 23883112; PMCID: PMC3725179.
⁸ Oh S, Park MR, Son SJ, Kim Y. Comparison of Total RNA Isolation Methods for Analysis of Immune-Related microRNAs in Market Milks. Korean J Food Sci Anim Resour 2015;35(4):459-65. doi: 10.5851/kosfa.2015.35.4.459. PMID: 26761866; PMCID: PMC4662127
⁹ Yu S, Zhao Z, Sun L, Li P. Fermentation Results in Quantitative Changes in Milk-Derived Exosomes and Different Effects on Cell Growth and Survival. J Agric Food Chem 2017;65(6):1220-1228. doi: 10.1021/acs.jafc.6b05002. Epub 2017 Feb 3. PMID: 28085261.
¹⁰ Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Mikro-Ribonukleinsäure in Milch: Gesundheitliches Risiko sehr unwahrscheinlich. https://www.bfr.bund.de/cm/343/mikro-ribonukleinsaeure-in-milch-gesundheitliches-risiko-sehr-unwahrscheinlich.pd (Zugriff: 07.10.2020)
¹¹ Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Pflanzenbetonte Ernährung und viel Bewegung sind beste Krebsprävention. https://www.dge.de/presse/pm/pflanzenbetonte-ernaehrung-und-viel-bewegung-sind-beste-krebspraevention (Zugriff: 07.10.2020)