Warum man genetische Veränderungen in Krebszellen kennen sollte
Zielgerichtete Krebstherapien richten sich gegen bestimmte Veränderungen der Krebszellen. Ob diese Art der Therapie für dich infrage kommt, kann mit einer genetischen Testung des Tumors festgestellt werden.
Jeder Krebs ist anders
Krebs entsteht durch unerwünschte Veränderungen in den Genen, auch Mutationen genannt. Betrifft eine Mutation ein Gen, das für das Wachstum der Zellen zuständig ist, können die mutierten Zellen sich daraufhin unkontrolliert teilen und vermehren. Onkologinnen und Onkologen sprechen in diesem Fall von „Treibermutationen“. Oft sind mehrere Mutationen beteiligt, damit es zum unkontrollierten Wachstum von Krebszellen kommt. Da viele hundert unterschiedliche Gene für das Zellwachstum verantwortlich sind, können viele verschiedene Mutationen Krebs auslösen.
Somit ist jeder Tumor und jede Krebserkrankung – wie auch jeder Mensch – einzigartig. Das ist der Grund dafür, dass die Tumore von zwei Personen mit der gleichen Krebsart, beispielsweise Brustkrebs, völlig verschiedene Mutationen aufweisen. Andersherum ist es möglich, dass die gleichen Mutationen in unterschiedlichen Geweben zu verschiedenen Krebsarten führen können, zum Beispiel Brust- und Lungenkrebs.
Was ist ein genetisches Tumorprofil?
Um für jede individuelle Krebserkrankung die richtige Therapie zu finden, ist es von Vorteil, die genetischen Eigenschaften eines Tumors möglichst genau zu kennen. Du kannst sie dir wie einen Fingerabdruck des Tumors vorstellen. Für die Erstellung dieses genetischen Tumorprofils entnimmt deine Ärztin oder dein Arzt eine kleine Probe des Tumorgewebes oder eine Blutprobe.
Es gibt verschiedene moderne Testverfahren, mit denen das genetische Tumorprofil untersucht werden kann. Viele krebsverursachende Mutationen sind bereits bekannt. Wenn dein Ärzteteam also eine bestimmte Mutation in Verdacht hat, kann man mit einem Einzelmarker-Test herausfinden, ob genau diese Mutation vorliegt. Der Nachteil hierbei ist, dass andere Mutationen übersehen werden können. Mittlerweile gibt es aber das „Comprehensive Genomic Profiling“ (CPG), eine sogenannte umfassende genetische Tumoranalyse, mit dem innerhalb kürzester Zeit mit nur einem einzigen Test ein umfassendes genetisches Tumorprofil erstellt werden kann. Mit dieser Testmethode können mehrere hundert mögliche genetische Veränderungen untersucht werden - und auch seltene Mutationen entdeckt werden.
Warum ist es wichtig, sein Tumorprofil zu kennen?
Dein genetisches Tumorprofil kann dabei helfen, die für dich bestmögliche Therapie zu finden. Denn für viele der mittlerweile zahlreichen bekannten Treibermutationen stehen sogenannte zielgerichtete Therapien zur Verfügung. Dabei richtet sich die eingesetzte Therapie gezielt gegen die durch die Mutation veränderte Eigenschaft der Krebszellen. Das genetische Tumorprofil ist somit eine Grundlage für eine zielgerichtete Therapie und die Personalisierte Medizin.
Für welche Patientinnen und Patienten ist ein Tumorprofil von Vorteil?
Ein Tumorprofil ist besonders relevant, wenn die Krebserkrankung weit fortgeschritten ist oder sich bereits Metastasen gebildet haben. Auch bei sehr seltenen Krebsarten oder wenn alle Therapien ausgeschöpft sind, die in den Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen werden, kann ein Tumorprofiling hilfreich sein.
Es ist möglich, dass für genau die Mutation bei deiner Krebserkrankung noch keine Therapie zugelassen ist. Eventuell gibt es jedoch bereits klinische Studien, die darauf hinarbeiten. Auch wenn deinem Tumor eine Mutation zugrunde liegt, für die es noch keine Therapie gibt, kann das Tumorprofil trotzdem wichtige Informationen liefern. Dein Behandlungsteam kann bestimmte Therapien ausschließen, auf die der Tumor nicht anspricht. So können dir unnötige kräftezehrende Behandlungsversuche und eventuelle Nebenwirkungen erspart werden.
Tumortestung: Voraussetzung für die personalisierte Medizin
Unter Berücksichtigung anderer Faktoren – wie beispielsweise deinem Allgemeinzustand oder deinem Tumorstadium – helfen die Ergebnisse der genetischen Testung deinem Ärzteteam dabei, mit dir die für dich bestmögliche Therapie auszuwählen. Bisher ist die Testung bei einigen Krebserkrankungen schon etabliert, beispielsweise bei bestimmten Formen von Brust- und Lungenkrebs. In Studien deutet sich jedoch an, dass eine Behandlung basierend auf dem genetischen Tumorprofil bei zahlreichen anderen Krebsarten zu einem besseren Therapieergebnis führen kann. Patientinnen und Patienten, die das CUP-Syndrom haben (Cancer of Unknown Primary) konnten besonders von der Erstellung eines genetischen Tumorprofils profitieren.1
Am besten fragst du bei deiner Onkologin oder deinem Onkologen nach, ob es in deiner Situation sinnvoll ist, ein genetisches Tumorprofil zu erstellen.
Bei aggressiven, weit fortgeschrittenen oder seltenen Krebserkrankungen sind die Standardtherapieoptionen häufig schnell begrenzt oder bereits erschöpft. Bei diesen Patientinnen und Patienten kann ein umfassendes Tumorprofilsvon großem Nutzen sein.
Tumorprofil versus humangenetische Testung
Neben dem Tumorprofil gibt es auch noch die humangenetische Testung. Die Begrifflichkeiten klingen ähnlich und können daher leicht verwechselt werden. Beim Tumorprofil geht es vor allem darum, das Tumorgewebe auf genetische Veränderungen zu testen. Damit lassen sich Aussagen über Prognose und Therapieoptionen treffen. Eine humangenetische Testung oder eine Beratung kann dagegen bei gesunden Menschen erfolgen, die ein erhöhtes Risiko für eine erbliche Krebserkrankung haben. Beispiele hierfür sind familiärer Darm-, Brust und Eierstockkrebs. Hierbei erfolgt im Gegensatz zur Testung des Tumors eine Untersuchung auf Mutationen in gesunden Körperzellen (der Keimbahn). Eine humangenetische Testung wird von spezialisierten Expertinnen und Experten der Humangenetik durchgeführt und ist mit einer Beratung verbunden. Diese ist gesetzlich verpflichtend.
Das Verständnis der Mutationen bei Krebs wächst und die Entwicklung neuer zielgerichteter Krebstherapien geht stetig und in einem sehr schnellen Tempo weiter. Ziel ist es, Behandlungsmethoden zu entwickeln, die besonders verträglich und effektiv sind, und dabei so wenig Beeinträchtigungen wie möglich verursachen.
Zusammengefasst:
- Krebs entsteht durch Veränderungen im Erbgut der Zellen (Mutationen).
- Zielgerichtete Therapien richten sich nach der Mutation und greifen gezielt die Krebszellen an.
- Mithilfe einer Tumortestung kann dein Arzt feststellen, ob dein Tumor Angriffsstellen für eine zielgerichtete Therapie aufweist und so die bestmögliche Therapie für dich finden.
- Mit einer umfassenden genetischen Tumoranalyse können mehre hundert Mutationen mit einem einzigen Test entdeckt werden. Dieses Tumorprofil ist insbesondere für Menschen sinnvoll, deren Erkrankung fortgeschritten und metastasiert oder selten ist.
Inhaltlich geprüft: M-DE-00022931
Quellen
¹ https://www.aerzteblatt.de/archiv/197152/Molekulare-Tumordiagnostik-Baustein-der-modernen-Onkologie, zuletzt abgerufen am 9.12.2022