K wie Kommunikation: Selbsthilfe bei Krebs
Durch die Diagnose Krebs gerät alles aus den Fugen, die Angst ist plötzlich ständig dabei. Dagegen hilft nur, miteinander zu reden, meint Carsten Witte, Initiator der Selbsthilfegruppe „Jung und Krebs“. Sein Wort mit K ist deshalb: Kommunikation.
„Herr Witte, Sie müssen Ihr Umfeld entlasten!“ – etwas komische und verwirrende Worte, die man mir, frisch aufgeschnippelt nach meiner dritten Lungenmetastasenoperation im Jahre 2014, ins Gesicht sagte. Was sollte das heißen?
Das wollte ich dann doch genauer wissen. „Wie meinen Sie denn das? Ich bin doch derjenige mit Krebs. Mich muss man doch unterstützen, damit ich mich auf die Genesung konzentrieren kann.“
Die Begründung dieser Aussage von einem Professor, der selbst Krebs hatte und den ich um eine Privataudienz bat, weiß ich zwar nicht mehr wörtlich, doch die Message hat sich tief in mein Gehirn eingebrannt. Sie lautete ungefähr so: Wenn ein Mensch Krebs hat, ist das eine Herausforderung. Für einen selbst, für das soziale Umfeld, den Freundeskreis und die Familie. Und für alle Mitmenschen.
Als Betroffene oder Betroffener ist man von heute auf morgen Krebspatientin oder Krebspatient … und kein normales Mitglied mehr dieser Gesellschaft. Alles dreht sich um das gleiche Thema. Verständlicherweise. Tod. Leid. Therapie. Angst. Irgendwo ein wenig Hoffnung, dass es doch nur ein Traum ist. Traum geplatzt. Nebenwirkungen. Trauer. Belastung.
Ja, mit einer Krebserkrankung ist man eine Belastung! Und das auf so unterschiedliche Art und Weise. Denn nicht nur der Patient selbst, sondern auch das Umfeld gerät aus den Fugen und das zwischenmenschliche Vertrauen ist erschüttert und wird auf die Probe gestellt, weil kaum etwas mehr so ist wie es vorher mal war. Diese heimtückische Krankheit dringt tief ein in unser menschliches Sein und holt sie hervor: die Angst. Und wer sich von ihr leiten lässt, hat verloren.
Was tun gegen die Angst?
Wer Krebs hat, muss sich zwangsweise mit der Angst auseinandersetzen. Der individuelle Umgang, persönlich wie im Kollektiv, kann der Schlüssel dafür sein, dass die Belastung weniger wird, sich der stumme Knoten löst und alle an einem Strang ziehen. Deshalb also auch der Satz des Professors: „Sie müssen Ihr Umfeld entlasten!“ Okay, dann mal her mit der Lösung. Angehörige und Freundinnen oder Freunde machen sich Gedanken: „Darf ich überhaupt fragen, wie es ihm geht? Und was fang ich dann mit der Antwort an? Darf ich ihm von meinen eigenen Problemen berichten oder ist das nicht erlaubt‘?“ oder auch „Oh, ich hab letztens was im Internet gelesen, das hilft bestimmt. Darf ich Ratschläge geben?“ Und so vieles, vieles mehr …
Meine ganz persönlichen Wünsche
Niemand aber ist Profi in Sachen Krebs. Nicht die Betroffenen, keine Ärztin und kein Arzt, niemand. Und ein Mensch, der akut in der Krankheitsphase, in der Therapiephase UND noch undefiniert lang danach in der Phase der ganzheitlichen Heilung steckt, hat spezielle Wünsche und Vorstellungen, auf die das Umfeld eingehen muss. Ich nenne mal meine damaligen:
- „Fragt mich bitte nicht mehr, wie es mir geht. Wenn ich am Tag zwanzig Mal wiederhole, wie schlecht es mir geht, dann geht es mir am Ende des Tages noch schlechter. Ich schreib ´nen Blog, da steht einmal am Tag ´n Update. Schon schreib ich nur einmal, dass es mir nicht gut geht, … und schon geht’s mir besser. Bitte, so lieb es auch gemeint ist, gebt mir keine Ratschläge, die Ihr irgendwo im Internet gefunden habt oder Euch irgendwer anders gesagt hat. Denn ich glaube nicht, dass entweder irgendwelche Kristallsteine oder fünf Kilo Kurkuma am Tag oder sonst was den Tumor zerstören.“
- „Reduziert mich nicht auf meinen Arm. Ja, in ihm steckte der Knochentumor, der herausoperiert wurde, aber ich bin mehr als der Krebs, der Tumor oder das supergeile künstliche Ellbogengelenk aus Titan.“
- „Lasst uns über den Krebs lachen und Witze reißen. Ernst ist das Ganze von Natur aus schon. Aber ich möchte mir meinen Humor nicht nehmen lassen. Das ist für mich unfassbar wichtig und meine Strategie, zu überleben.“
- „Wenn Ihr mir eine Freude machen wollt, Ihr seid meine Freunde, Ihr wisst, was ich mag. Denn ich habe immer noch die gleichen Vorlieben wie vor der Diagnose.“
In diesem Sinne danke für die Pizzen, die ich von Euch ins Krankenhaus geliefert bekommen habe, danke für die Hundebesuche, danke, dass bei Gesprächen über Fußball immer ein Stück Normalität zurückkommt.
Was ich damit versuche zu beschreiben, ist: Setzt Euch mit Euren Lieben an einen imaginären Tisch, klärt alle Ängste, räumt alle Unsicherheiten, die uns Menschen ausmachen, aus der Welt und kommuniziert miteinander. Wir waren vor der Erkrankung Menschen und sind es mit ihr erst recht. Und Ihr, die uns so sehr unterstützt, seid auch Menschen und Eure Bedürfnisse und Grenzen sind gleichwertig. Lasst nicht die Angst gewinnen. Ihr merkt, sobald wir sie Schicht um Schicht ablegen, dann ist da Kommunikation – und irgendwann am Ende die stärkste Kraft, die uns leitet: die Liebe.
Inhaltlich geprüft: M-DE-00017669