Epigenetik: Neue Wege in der Krebstherapie
Es gibt zahlreiche Fragen, die nicht allein mit der klassischen Genetik beantwortet werden können. Die Epigenetik ermöglicht uns zu verstehen, wie sich unsere Lebensgewohnheiten auf unsere Gesundheit auswirken können.
Die klassische Genetik beschäftigt sich mit Eigenschaften, die durch das Erbgut selbst bestimmt sind – also durch die festgelegte Abfolge der DNA. Bei der Epigenetik geht es dagegen um umkehrbare chemische Veränderungen der DNA, die die Aktivität von Genen steuern – also welche Gene abgelesen werden und welche nicht. Diese sogenannten epigenetischen Veränderungen können ebenfalls von Eltern an ihre Kinder vererbt werden und sind auch bei verschiedenen Erkrankungen wie Krebs nachweisbar.
Epigenetik – die Regulation der Gene
Umweltbedingungen und unser Lebensstil können unsere Gesundheit und unsere Neigung für Krankheiten beeinflussen. Wie das funktioniert, können Forscher unter anderem mit der Epigenetik beschreiben: Einen Abschnitt unseres Erbguts, der eine bestimmte Information gespeichert hat, nennt man ein Gen. Manche Gene sind häufig aktiv und andere weniger. Epigenetische Veränderungen können beeinflussen, wie aktiv ein oder mehrere Gene sind – und zwar, ohne dass es dabei zu dauerhaften Erbgutveränderungen (Mutationen) kommt. Genauer gesagt, geht es in der Epigenetik um chemische Markierungen („Modifizierung“) der DNA. So eine Markierung kann ein Gen „ausschalten“, sodass seine gespeicherte Information nicht mehr abgelesen wird. Dazu gehört zum Beispiel die sogenannte „Methylierung“. Andere Markierungen sorgen dafür, dass Gene aktiver sind als sonst oder überhaupt erst aktiv werden.
Ein wichtiger Unterschied zwischen Mutationen und epigenetischen Veränderungen ist, dass sich epigenetische Prozesse wieder rückgängig machen lassen. Sie führen also nicht zwangsläufig zu dauerhaften Erbgutveränderungen wie eine Mutation.
Anpassung und Entwicklung
Epigenetische Prozesse sind sehr wichtig für unsere Entwicklung. Sie helfen dabei, dass sich in einem Embryo verschiedene Körperzellen entwickeln: Obwohl alle Zellen das gleiche Erbgut besitzen, entwickeln sich manche zu Lungenzellen, andere zu Muskelzellen und wieder andere spezialisieren sich zu Immunzellen. Dies liegt daran, dass verschiedene Gene aktiv sind und den Zellen daher unterschiedliche Informationen zur Verfügung stehen.
Dieses epigenetisch regulierte Ein- und Ausschalten von Genen ermöglicht uns auch, uns an Umwelteinflüsse anzupassen. Zum Beispiel können Ernährung, Rauchen, Schadstoffe, aber auch psychische Belastungen und Stress zu epigenetischen Veränderungen führen.
Unsere Umwelt führt zu epigenetischen Veränderungen unseres Erbguts.
Was hat Epigenetik mit Krebs zu tun?
Lange haben Forschende angenommen, dass Krebs allein durch Veränderungen der DNA (Mutationen) entsteht. Inzwischen weiß man, dass die Epigenetik auch eine Rolle bei Krebserkrankungen spielt.3 So sind in vielen Tumoren bestimmte Gene durch eine fehlerhafte epigenetische Markierung („Hypermethylierung“) ausgeschaltet, die in gesundem Gewebe ein unkontrolliertes Zellwachstum verhindern. Auch mit zunehmendem Lebensalter kommt es zu einer ähnlichen fehlerhaften epigenetischen Regulation: In verschiedenen Bereichen des Erbguts kommt es zu einer zu starken Methylierung und damit zu einem Abschalten von wichtigen Genen. Dies ist einer der Gründe, weshalb Krebserkrankungen mit höherem Alter zunehmen.
Außerdem haben die Forschenden entdeckt, dass Krebs-spezifische epigenetische Markierungen bereits lange vor den ersten Symptomen auftreten – das könnte die Behandlungsoptionen verbessern.3
Potenzieller Angriffspunkt für Medikamente
Epigenetische Veränderungen zu verhindern, aufzuhalten oder rückgängig zu machen, ist ein Weg für neue Krebstherapien. Medikamente, die auf die Methylierung wirken, sind für bestimmte Krebsarten bereits zugelassen. Dazu gehören bestimmte Formen von Blutkrebs.7 Die Medikamente sorgen zum Beispiel dafür, dass schützende Gene wieder aktiv werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen daran, Medikamente herzustellen, die möglichst spezifisch gegen die epigenetischen Veränderungen wirken. Dafür untersuchen sie das Erbgut der Tumorzellen sehr genau. Das Ziel ist eine personalisierte Therapie: Menschen mit spezifischen epigenetischen Veränderungen erhalten eine passgenaue Therapie.
Inhaltlich geprüft: M-DE-00022930
Quellen
¹ https://www.lungeninformationsdienst.de/forschung/epigenetik/mechanismen, zuletzt abgerufen am 22.07.2024.
² https://www.lungeninformationsdienst.de/forschung/epigenetik/ziele, zuletzt abgerufen am 22.02.2024.
³ https://www.lungeninformationsdienst.de/forschung/epigenetik/nutzen, zuletzt abgerufen am 22.07.2024.
⁴ Brune et al. Neonatologie Scan 2017;06:51.
⁵ https://www.lungeninformationsdienst.de/forschung/epigenetik/umwelteinfluesse, zuletzt abgerufen am 22.07.2024.
⁶ Pérez et al. Aging Cell 2022;21:e13709.
⁷ Zylka-Menhorn, V. Dtsch Arztebl 2012;109:A-1027.