Tipps fürs Arztgespräch – Interview mit PD Dr. Rüffer
Krebs ist ein sensibles Thema, deshalb sind Offenheit und Transparenz das A und O beim Gespräch zwischen Arzt und Patienten. Onkologe Dr. Rüffer erklärt, welche Fragen zu einem gelungenen Arztgespräch gehören und was dabei besonders wichtig ist.
Wer kennt das nicht? Nach einem Gespräch mit dem Arzt sind mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Gerade in einer Phase der Überforderung, zum Beispiel kurz nach der Diagnose, kann es schwierig sein, die wertvollen Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Dabei bietet die Zusammenarbeit von Arzt und Patienten große Chancen, aktiv zum Erfolg der Therapie beitragen zu können. So lässt sich ein Ausweg aus dem möglicherweise überwältigenden Gefühl der Machtlosigkeit aufbauen. Wie es gelingen kann, dass das Arzt-Patienten-Gespräch zum Erfolg wird, erklärt Onkologe Dr. Rüffer im Interview.

PD Dr. med. Jens Ulrich Rüffer ist Facharzt mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie, Vorstandsmitglied der Deutschen Fatigue Gesellschaft, Leiter der AG Kommunikation in der Arbeitsgemeinschaft internistische Onkologie (AIO) sowie Geschäftsführer der TAKEPART media and science GmbH.
Sehr geehrter Herr Dr. Rüffer, in Ihrer Laufbahn als Onkologe haben Sie schon viele Patientengespräche geführt. Wie sehen die Herangehensweisen von Ärzten bei einem gelungenen Gespräch aus? Was sind die ersten Schritte?
Ein gelungenes Gespräch sollte immer im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung stattfinden. Voraussetzung dafür ist, dass der Patient ausreichend informiert ist. Dies ist im ärztlichen Alltag nicht einfach zu gewährleisten. Der Arzt sollte in einem Entscheidungsgespräch vorab die Wünsche und Präferenzen des Patienten abfragen und sich versichern, dass diese in der gemeinsamen Therapieentscheidung berücksichtigt sind. Ganz wichtig ist es, sicherzustellen, dass der Patient von der Situation nicht überfordert ist.
Sie setzen sich darüber hinaus im Bereich „Shared Decision Making (SDM)“ zur Stärkung der Patientenbeteiligung ein. Was bedeutet SDM? Welcher Gedanke steckt dahinter?
„Shared Decision-Making“ bedeutet „gemeinsame Entscheidungsfindung“. In erster Linie geht es bei SDM darum, eine Therapie zu finden, die der Krankheitssituation angemessen ist und gleichzeitig auch den Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems entspricht. Das Besondere daran ist, dass hier die Wünsche des Patienten einbezogen werden, um eine Entscheidung zur Behandlung zu fällen. Dadurch erhofft man sich auch langfristig positive Effekte, weil Patienten damit viel mehr die Therapie zu ihrer eigenen machen und in ihrem Gesundheitsverhalten gestärkt werden.
Beim Shared Decision-Making geht es darum, gemeinsam und auf gleicher Augenhöhe Entscheidungen zu treffen. Voraussetzung dafür ist, dass beide Parteien offen und ehrlich miteinander sprechen. Während der Arzt sämtliche relevanten Informationen darlegt, sollte sich der Patient aktiv in die Entscheidungsfindung einbringen – zum Beispiel durch Stellen von Fragen und Teilen seiner Bedürfnisse.
Was sollte man als Arzt unbedingt beachten, um dem Patienten in der Kommunikation gerecht zu werden und damit dieser zufrieden aus dem Gespräch herausgeht?
Wann ein Patient zufrieden ist, kann sehr stark variieren. Wenn ein Arzt dem Patienten eröffnet, dass er eine ernsthafte Erkrankung hat, dann ist der Patient am Ende des Gesprächs definitiv nicht zufrieden. Vielmehr geht es darum, den Patienten langfristig zufriedenzustellen. Im besten Fall hat der Arzt ein gutes Gesprächstraining absolviert, eine patientenorientierte Haltung und kann seine Intuition gezielt einsetzen. Dann weiß er, was der Patient an Belastung ertragen kann und richtet seine nächsten Schritte danach aus.
Wie erfährt man als Arzt, was Patienten wirklich wichtig ist? Haben Sie konkrete Tipps?
Der wichtigste Tipp ist, als Arzt die Krankheitsverläufe von den verschiedenen Erkrankungsformen zu kennen und sich dadurch auf bestimmte Dinge besser einstellen zu können. Beispielsweise sollte ich wissen, dass einige Lymphomerkrankungen deutlich häufiger mit einer Erschöpfung einhergehen als andere Tumorerkrankungen.
Beim Lymphom handelt es sich in der Regel um einen bösartigen Tumor des lymphatischen Systems (dieses besteht aus Lymphbahnen und lymphatischen Organen, z. B. Knochenmark, Lymphknoten und Milz). Das Lymphom ist umgangssprachlich auch als Lymphdrüsenkrebs bekannt.
Wie sollten sich Patienten im Arztgespräch verhalten?
Die Basis ist immer das offene und ehrliche Gespräch. Nur wenn Patienten ehrlich sind, kann der Arzt sie gut und umfassend in allen Hinsichten der Erkrankung beraten. Wenn Patienten sich über die Erkrankung informieren und verstehen, was in ihrem Körper passiert, steigt ihre sogenannte Selbsthilfekompetenz. Konkret bedeutet das, sie übernehmen mehr Verantwortung für sich und bleiben ihrer Therapie treu. Dies macht die gemeinsame Entscheidungsfindung aus.
Gibt es spezielle Fragen, die Patienten unbedingt stellen sollten?
Es gibt eine Initiative der amerikanischen Stiftung für Patientensicherheit „Ask3“, die drei Fragen als besonders ergebnisorientiert erachtet:
- Was ist mein Problem?
- Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
- Welche Vor- und Nachteile habe ich, wenn ich eine bestimmte Behandlungsalternative wähle?
Wenn ein Patient diese drei Fragen stellt, ist das Ergebnis des Beratungsgesprächs laut Studie deutlich besser.
Wie sollten Patienten Fragen stellen, um möglichst erfolgreich aus dem Gespräch herauszugehen?
Wichtig ist, direkt am Anfang des Gesprächs darauf hinzuweisen, dass sie Fragen haben und diese gerne beantwortet bekommen möchten: „Guten Tag Herr Doktor, ich habe drei Fragen mitgebracht, die ich auf jeden Fall heute noch stellen möchte.“
Vielen Dank!
Quellen
¹ https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/patient-arzt/patient-und-partner
² https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/lymphome/index.php